Gestaltung

Poelzig zB. hat mit seinem Entwurf zum Schiffshebewerk für Niederfinow „bildnerisch gedacht“. Es hatte für diese Aufgabe 1906 und 1912 einen Ingenieurwettbewerb gegeben; der Krieg ist dazwischen gekommen und erst danach hat Poelzig in die damalige Diskussion eingegriffen und 1920 einen Entwurf abgeliefert. 1926 ist das Werk in der heutigen Form gebaut worden.

Poelzig hat am Ausführungsprojekt vor allem die „Verunklärung durch Schrägen und Horizontalen“ kritisiert. Sein Entwurf zeigt hingegen als jähe Unterbrechung des liegenden Kanals einen vehement  aufstrebenden Bau, welcher das imposante Hinauf und Hinab riesiger Lasten  ausdrückt: es sind die „wirkenden Kräfte“, nämlich die Unterbrechung als Vertikale in der sonst der Natur eines Kanals entsprechenden Horizontalen in der Landschaft, das Verständlichmachen des Auf und Ab der tonnenschweren Schiffe und des Wassers (=Funktion) mittels der Materialisierung, der Konstruktion und des architektonischen Ausdrucks.

Das Schiffshebewerk in Niederfinow am Oder-Havel-Kanal bewältigt einen Niveauunterschied von 36m und kann mit den Schiffen und dem Wasser total 4’200 Tonnen heben. Vorher hatte es vier Schleusen gegeben: die Schiffe haben für die Durchfahrt 90 Minuten gebraucht. Mittels des Hebewerks sind es für das Ein- und Ausfahren und das Senken/Heben noch 20 Minuten.

Ganzheit

Die Ganzheit ist bei fast allen Gegenständen unproblematisch – sie sind rundum gestaltet, eben ganz. In der Architektur ist es schwieriger: manchmal ist z.B. das Dach bei Gebäuden gestalterisch eine leere Fläche – nicht einbezogen (zB. bei Flachdächern, wenn das Gebäude wie eine oben offen Kiste wirkt). Nicht so beim Sainsbury Center: Das Bauwerk bildet einen  „Tunnel“ – vorne und hinten ist es „offen“ (verglast). Auch nicht so bei den konventionellen Dächern: diese sitzen vielfach wie Hüte auf den Gebäuden.

LC war ein Meister des Einbezugs der Flachdächer in eine Ganzheit: in Poissy wird es genutzt und mit den Formen des Solariums akzentuiert; in der Unité ist es Akropolis. In Garches kann man durch die Fassade an die Dachunterseite sehen, welche mit Ausschnitten gestaltet ist…

Ganzheit als Idee: ein Küchenanbau als kontinuierliches, gebogenes Element, das sich auch noch zum Haupthaus hin wendet (Zugehörigkeit).

Der neue Liftturm, der sich dem Eingang zuwendet, als „Wächter des Tores“.

Kräfte

Parallele Schichten werden zB. durch Zusammendrücken (Kraft) vorne von einer Reihung zu einem Ganzen. Eindrücke und Ausstülpungen (zB. am Goetheanum) können als Krafteinwirkungen gelesen werden, sie machen aus einem geometrischen Körper (sechs einzelne Seiten) ein gestaltetes Ganzes, obschon die Kräfte, Eindrücke und Ausstülpungen nicht sinnfällig sind – sondern formal; es gibt dort keine „existierenden Kräfte“.

Ein Kühllager verengt sich vorne zum einzigen Ein- und Ausgang mit Büro und den Andockrampen.

Ein Gebäude endet.

Palazzo Valmarano, Palladio: die Kraft der Mittelachse (Einschnürung, Ausweitung) „bewirkt“, dass die seitlichen Wohnflügel am Hof „angesogen“ werden („deshalb“ dort keine Säulen mehr), der Eingangskorridor nicht in die Wohnräume eingebunden ist, die Loggia tief ist und die Säulen unter das OG „hineingesogen“ werden.  Oder das manieristische Gegenteil in der Rotonda, ein Zentralraum, der zentripedal wirkt (z.B. auch im Pantheon, mit der Lichtachse in der Mitte) – in der Rotonda aber zentrifugal, da das Licht praktisch nur aus den Zugangskorridoren kommt!

In einer Gemüsefabrik wird die innere Prozessrichtung abgebildet: die im Inneren wirkenden Kräfteflüsse formen den Bau mit.

Das Stehen, Rundum-Schauen, Aufragen sind Kräfte, die sich auch an einem Bauwerk ausdrücken können.

Licht auf einer kanellierten Säule, Materialität, welche mit Licht ein Verhältnis eingeht,  machen die Kräfte der Sonne oder der Zeit sichtbar. Einer Blechverkleidung ist der rechte untere Teil des Falzes tiefer eingedrückt worden; damit fransen – wenn die Sonne kommt – die Schatten unten aus, wenn sie weiterzieht, lagern sich die Schatten parallel  an die Falze an – die Passage der Sonne wird erlebbar.

Fülle

Es geht darum, die Fülle zu gestalten: wo ist Helle, wo Dunkelheit, wo sind Schnitte oder Schnittstellen, wo Verwebung, Zusammenhalt; wo Kontinuität oder Akzentuierung.  Ganzes, Seiendes vs. z.B. Aneinanderreihung von Elementen.

ZB. die Giebelfassaden Bürger- und Ratshäuser: Die Fassaden definiert bewusst die Schnittstelle zum Himmel; sie werden nicht durch das Dach passiv zuzgelassen…);

oder  Schnittstellen, welche Gestalt erzeugen, wie z.B. am Novartis-Turm in Basel.

In einigen gotischen Kirchen sind interessante, kohärente Konstruktion und die Raumbildung / Zonierung als Ganzheit aus gebildet (das um-die–Ecke-gehen der Konstruktion (und ihrer  linearen Elemente).

Dieses Prinzip wird anders gebraucht, indem die Unstetigkeit, das Drehen der Konstruktion, beim Eingang liegt; das Gebäude entwickelt sich in seinem hinteren Teil in drei shedartig belichtete Schiffe.

Colagieren, verschleifen der vormals offenen Baulücke: mit den bestehenden Gebäuden entsteht ein neues Ganzes und verweist auf die ehemalige Baulücke.

Verschränkungen/Zusammengehörigkeit dank Tonnen/ Dreiecksgiebeln in Bauten und in der Stadt.

Unterschiedliche Farben/Materialien und Formen/Volumen werden über Schnittstellen hinweg durchgehalten. Ein Geschoss hohes (leeres) Element unterbricht die Kontinuität überall in der Mitte: es erzeugt eine Achse und verbindet so Ein- und Ausbuchtungen: eine Schnittstelle (Unstetigkeit, Akzent) wird bewusst gesetzt.

Verzahnung von Volumen mit Bauten; Bezogenheit von Hauptraum und Aussenraum, der Hof der Eingänge; Bauten und Plätze haben Figurqualität. Vielheit, Offenheit, Zusammengehörigkeit; prekäres Gleichgewicht (Hauptvolumen peripher und nicht axial), zusammengehalten durch den gemeinsamem Umriss und die gleiche Höhe der vier Volumen.  Empfangen, Einlassen, Bergen.