Musik, zB. von Vivaldi ist schön, berührt, hat aber auch Dinge drin, die man bemerken kann: im Konzert in F-dur, RV 574, ist der langsame Mittelsatz in drei fast gleiche Teile gegliedert, ohne Melodie, nur Tonfolgen, am Anfang vier mal je einen Ton aufsteigend, dann wieder zweimal je einen Ton abwärts, lang ausgehaltene Töne mit einer Struktur unterlegt, wie einfache, gleichmässige Striche, dann wird der Ton weiter ausgehalten, schon beim zweiten folgt, etwas lauter beim dritten und noch besser hörbar das nächste Mal, ein Echo. Der letzte Ton ist die Vorwegnahme des Endes, nur er selber, und lange gehalten. Dann schliesst sich ein Solo zweier Instrumente an, die sich umspielen, umgarnen, sich imitieren und auch antworten, dreimal immer höher und komplexer ornamentiert, aber auch hier wiederum ohne eigentliche Melodie – und dann ist der Höhepunkt überschritten, es geht einen Tonschritt zurück, dann folgen noch drei Auf- und Abbewegungen und ein Abbröckeln, bis wieder, das zweite Mal die lang ausgehaltenen Töne mit den Strichen, der Struktur, dem gleichmässigen Rhythmus folgen, hier aber geht es einen Ton hinunter, dann folgt noch ein langer Ton auf der gleichen Höhe und noch einmal derselbe lange Ton – nochmal ein Ende – und auch das ohne Struktur. Mit komplizierten Bewegungen und Ornamenten setzt zum zweiten Mal ein Soloinstrument ein, nur noch eines jetzt, schwingt sich weit in die Höhe und stürzt schnell ab, drei weitere schnelle Aufwärts- und längere Abwärtsbewegungen folgen, die immer weniger hoch hinauf kommen und wie noch einmal alle Kräfte mobilisierend setzt ein Höhenflug schon höher an und in grösseren Schritten, der fünfte, der sechste muss nach moll wechseln und wie ein letzter Versuch schwingt sich das Solo hoch hinauf, und dann geht es nur noch hinunter. Zum dritten Mal kommen die ausgehaltenen Töne mit den Strichen, schneller diesmal, vielleicht um endlich zum Schluss, der aber nur dem Mittelsatz gelten kann, zu kommen, der zweite Ton steigt, dann fallen die nächsten zwei je um eine Stufe, der Fünfte verharrt hier unten und der Schlusston steigt wieder eine Note und verhallt strukturlos.
Schon 100 Jahre früher auch mit der Grablegung von Caravaggio 1604 – im Gegensatz zu derjenigen von Baburen 1617: bei Caravaggio beginnt das Bild mit der erhobenen Hand rechts, geht über in die zwei schrägen Köpfe der Weinenden (und der Beine Christi), dann in den Kopf (der uns anschaut) und den Rücken von Nikodemus – und parallel dazu der Leib Christi und die Grabplatte darunter – horizontal. Wir sehen zusätzlich zur Grablegung also auch diese Bewegung um 90 Grad, die mit der Grabplatte definitiv endet (und sich so, wie die erhobene Hand) ins Bildgeviert verspannt. Wenig später kopiert der im Wesentlichen das Bild, nicht aber dieses »Zusätzliche» – dafür »berührt uns seine Version vielleicht mehr»: der Kopf Christi, der im Moment der Betrachtung vornüberfällt, die Füsse, welche Nikodemus nicht »parallel» halten kann, die Trauernde dahinter trocknet sich die Tränen mit einem Tuch, andere Münder sind offen vom Weinen, etc.
Noch einmal 200 Jahre früher bildet van der Weyden einen untiefen Raum, indem sich seine Figuren oben und bis zu den Armen direkt vor der goldenen Wand befinden (und Schatten werfen), unten aber, am Boden, viel weiter von der Wand entfernt stehen. Zudem stehen die Figuren dicht(gedrängt) in einer zur Bildebene parallelen „dünnen“ Raumschicht. Die Figuren halten die Wage zwischen flächig und körperhaft. Man beachte aber auch die gekonnte Wiedergabe der Materialität der Stoffe, der Haut und der Emotionen.
Man beachte aber auch die gekonnte Wiedergabe der Materialität der Stoffe, der Haut und der Emotionen – sowie die »Fastberührung» der Hände von Johannes (rot) und Maria (blau).
So auch mit diesem Palazzo in Foggia: es gibt eine Fassadenschicht, gebändert, davor liegt ein Pilaster, auch gebändert, etwas dunkler – und davor nochmals einer (auch das Gebälk ist so gegliedert. Das Gleiche wurde auch auf der Seitenfassade gemacht. Eine klare Sache. Allerdings wurde hier das Eckstücklein der Fassade nicht gebändert (vergessen?)
Die gleiche Gliederung findet sich auch im Sockelbereich.
In der Kathedrale von Trani ist die Apsis gleich hoch ausgebildet wie der Bogen, welcher das Hauptschiff abgrenzt – es ist quasi »eine Fortsetzung» – allerdings liegt das Querschiff dazwischen (mit anderer Richtung der Binder), welches eine »Schwelle» bildet (die eben das »Heilige» vom »Alltäglichen» trennt).
Das ist auch in der Kathedrale von Bitonto (und Bari) so
…und kommt Jahrhunderte später wieder in der Irenenkirche in Lecce vor…
Zurück nach Trani: aussen ist an die Kathedrale in der Fassadenflucht der Turm angebaut…
…allerdings geht das obere Abschlussprofil der Kirche »im Turmbereich weiter» (der Turm muss sich ja im Kathedralkörper abtragen können). Etwas weiter unten hat der Turm ein Fries, das am hypothetischen linken Turmrand endet (hier ja eigentlich schon »in der Kathedrale»). Rechts hat der Turm »ein Bein», das etwas weiter nach rechts reicht als der Turmkörper und auch etwas vorgezogen ist (und so ein »stehendes Element» bildet – als Pendant zum »liegenden Element» des Sockels der Kathedrale, wovor der Treppenaufgang auf diesen Sockel erfolgt).
In Bari haben die Erbauer von San Nicola hinten keine Apsis-Rundung sehen wollen – und daher einen »Rucksack» (Schicht) angebaut – etwas weniger hoch als das Seitenschiff – aber in der gleichen Fassadenflucht – nicht so glücklich wie in Trani
In Bitonto ist der Rucksack gleichhoch wie das Seitenschiff
Die Kathedrale in Bari bildet auf dem Rucksack in beiden Ecken Türme aus – überzeugendste Lösung:
Hier den Grundriss von Bitonto: mit den Galerien aussen wurde der Grundriss zum perfekten Rechteck gemacht
In Troja gibt es einen Palast…
..ein weiterer folgt, der etwas weiter in den Gassenraum hineinsteht (geführter Übergang – in eine sekundäre Gasse – darum ist auch der Palast, der dorthinein führt, weniger hoch). Der Bauherr wollte aber unbedingt zwei Geschosse mehr – diese sind »wie ein Pavillon», zurückversetzt, scheint es, auf den »kleinen Palast» aufgesetzt…
..steht man nahe, wird klar, dass dieser optische Eindruck mit einem Balkon, auf das Gebälk aufgesetzt, erreicht wird. Die Ecke unten (mit Bossengliederung) und die ionischen Pilaster am »Pavillon» – liegen auf der gleichen Flucht (wie auch die Fassaden des Palastes und des »Pavillons»).
In Putignano zeigt ein zweigeschossiger Palast eine (dünne) Fassadenschicht zur Strasse – mit Bossengliederung – das eingeschossige Tor in der Seitenfassade ist auch mit dem gleichen Stein bossiert – das bewirkt eine »Verklammerung»
In Lecce ein Haus mit einer Balkonachse (und Zugang), einer Fensteraches, wieder einer Balkonachse (etwas kleinere Balkone) und wieder einer Fensterachse (im 3. Geschoss etwas andere Farbe und höheren festem Aufsatz über dem Gebälk)…
… so gesehen »im Gleichgewicht. Man kann auch lesen: Eingangsschicht – und symmetrischer, dreiachsiger Teil (mit Balkonen in der Mitte) – was soll dann der höhere Aufsatz und die andere Farbe?
Zurück nach Putignano; da gibt es Hauszugänge mit delikat abgestuften Privatheitsgraden:
Strasse, Gitter und Vorplatz (2 Stufen höher), Treppe und Haustür (im Gassenraum), Loggia zum Gassenraum, Fenster im Treppenbereich, Terrasse mit Staketengitter über der Loggia und dem Bau an der Treppe; Terrasse mit fester Brüstung darüber.
In Galatina: dunkle, ausgemalte Kirche
..mit späterer »Laterne» als »Beleuchtung»
In Nardò gerade das Gegenteil:
Apropos Licht – a l l e s ist hell in der Kathedrale von Barletta – und das Schiff ist wie ein Insekt: holzgedeckte Romanik vor gewölbter Frühgotik und schliesslich den gotischen ‹runden› Chor mit Umlauf…
…auch eine schöne Lichtstimmung hat es in der Wallfahrtskirche von Renzo Piano (2004) für 8’000 Pilger in San Giovanni Rotondo…
…doch in Barletta gibt es einen »gut orchestrierten» Haupteingang – bei Piano nur viele kleine »Löcher in der Fassade» (= Notausgänge – ausser einen »ganz hinten») …
..Barletta, die Vielgestaltige, die sich mit dem Kapellenkranz zu den umliegenden Gebäuden »verhält» – Piano, wie ein gewaltiges »Schuppenpazer-Reptil, die Bögen wie Fossil-Knochen’…
Zum Schluss, eine Kirche mit »neuer Fassade» von 1979 in Gallipoli
Innen: Apsis romanisch, Chor und Schiff mit Kreuzrippen spätgotisch, neu mit runden Stützen unterfangen im Barock…