Raum

Allmählicher Übergang, geführter, abrupter

Die  Fokalisierung auf raumdefinierende Elemente (und nicht auf Räume) hat in der Moderne bei den Aussenräumen auf eine Foklisierung der Leere geführt: Diese Wände sollen als Wände (nicht geschichtet oder strukturiert) wirken; Elemente bewirken Übergänge und machen den Raum dichter (wenn sie eng stehen: Raumdefinition). Es geht um die Wand. Der «Raum» in diesem «System» ist reine Leere –> deshalb wirken in Chandigarh und in der  ville contemporaine  die Plätze wie Flugplätz – weite Leeren. Wände in der Gotik und bei Kahn: das, was sie enthalten, ist wichtig (Zwischenraum: z.B. Rochester), nicht die Wände selber –> sie bewirken, dass es ein «Da-Zwischen» gibt, eine Sublimationszone entsteht, Diaphanie [im Rokoko (Bra, etc.) werden die «Hinterlagen» verselbstständigt und mit anderem Licht versehen]).

Östliche und südliche Romanik: Wände (flach, als Bildträger – bzw. Strukturelemente aufgesetzt, wenig tief, nicht strukturiert, Textur – eigentlich sind es römische Ordnungen).

Aber es sind Kastenräume, die aneinandergeschoben sind, aussen Türme und Volumina.

Geschichtete Fassaden

Hier können Schichten und Zwischenräume, insbesondere zwischen den runden Säulen und den Mauerflächen, gelesen werden. Eigentlich sind der Fassadenmauer je ein Paar Säulen mit Gebälk vorgelagert. Zeichenhaft geht der Hauptgiebel über das Ganze und bindet alles zusammen. Dann gibt es noch eine Rücklage zur Fassadenmauer. Ähnliches gilt auch für das zweite Beispiel; hier ist der Mittelteil noch dazu gekrümmt und insbesondere an der geschweiften Perforation ist abzulesen, dass dies (auch) eine Scheibe (und nicht (nur) Oberfläche einer Masse) ist. Die Perforation hat schon eine beachtliche Tiefe, ist aber nicht eigentlich ein (nutzbarer) „Raum“ weil nicht betretbar.

Im dritten Beispiel wendet sich eine geschweifte Hauptfassade auf eine enge Gasse und erzeugt so eine intensive Passage (claiming) auf den Kirchenplatz hinaus. Über die oberen Geschosse des gassenständigen Gebäudes hinein erweitert sich der Platz: dort oben zeigt sich plastisch ein gerundetes Gebäudeende, welchem auf der Platzfront, in seiner Mittelachse, eine Gloriette gegenübersteht. Fassaden, Volumen, Achsen und die monumentale Treppenanlage sind architektonisch sehr stark. Alles ist auch eine Frage von Positionen und Verhältnissen zu einander, Sachverhalte, die mit „Raum“ zu tun haben:  Raum im Sinn von Innenraum, Umschlossenem, ist das aber nicht…

Raumhaltige Wände

Hier sind die Schichten grob, dick und ihre Ordnungen verschieden, gehen hinter der äusseren Schicht durch (nicht nur auf ein Feld beschränkt wie in Noto), die Schichten können wirklich als etwas Eigenständiges gelesen werden: rechts sind aussen vor allem die je drei Öffnungen lesbar; links wirkt der Grundkörper stark, die applizierte äussere Schicht ist in der Lage, sich selber zu tragen (Selbstständigkeit) und wirkt als eine Ganzheit (nicht nur einzelne Säulen wie in Noto und geht auch im oberen Geschoss weiter). Die Schichten sind wie Hüllen – in den äusseren sind vor allem die Öffnungen massgebend.

Die äussere Schicht kann sich verselbstständigen, als Öffnungen in der Mauer (links) oder als Türme (mitte).

Mehrfach geschichtet ist das Beispielrechts (St. Madeleine, rechts): sowohl in räumliche Zonen (zwischen den Lisenen) als auch in volle Glieder (mit Zugang), sodann die Raumschicht vor dem Hauptschiff: die zwei Türme links und rechts und die gezackten Seitenschiffe.

Hüllschichten als einheitliche Überstülpung, raumhaltige Innen- und Aussenwand, bzw. Treppenturm. Hier haben die Dachaufbauten und Loggien die gleiche volumetrische Definitionsdichte.

Der Gerichtshof in Chandigarh definiert mit einem grossen Dach und den Seitenwänden einen Primärraum, worin die Säle eingestellt sind, deren Fassaden wiederum raumhaltig ausgebildet sind. Der Primärraum ist wegen der grossen Länge und der im Verhältnis knappen Tiefe eher geometrisch wahrnehmbar, ähnlich dem Raum, definiert durch das dünne Vordach beim Bauernhaus. Darunter wird dort die eigentliche Raumhaltigkeit der Fassade durch die verschiedenen Oberflächen (graue Schalung, brauner Blockbau) und vor allem die Gleichheit der volumetrischen Definitionsdichte (mapping) der Laubenöffnung und deren Brüstung, aber auch der Heubühnenverschalung und dem Erdgeschoss mit dem darunterliegenden Sockel besonders gut spürbar. Auch bei Moor ist die raumhaltige Fassade in verschiedenen Ausprägungen gut spürbar.

Agno, der ganze Bau geordnet durch «Transparenz» (Rahmen, darin zurückliegendes Volumen, welches die Loggiaschicht vorstreckt, die Halle mit der Treppe zeigt die ganze Tiefe, darüber Volumen, die nach vorne und zurück drängen – das Ganze ist geschichtet geordnet – bei der Madeleine (auch) geschichtet, wie der Hauptraum ist, weiss man nicht…

Raumhaltige Zugänge

Die Portale in Chartres sind wie Innenräume, vorne offen, halb ausserhalb, halb innerhalb des Gebäudes, untereinander verbunden. Bei der Heilsarmee von LC sind es vor allem Körper, savemment im Licht vor einer Referenzfläche, für das intelligente Auge. Räumlichkeit wird dann spürbar, wenn es einen Kontrapunkt gibt: zB.  Räume, Raumteile mit unterschiedlichem Licht, anderer Ordnung. In der Heilsarmee sind die Körper, Räume losgelöst vom Hauptbau, sie liegen sehr nah (untiefer Raum) an der Glasfassade des Hauptbaus, sie sind aber zu klein, als dass sie der grossen Ebene dahinter „wehtun können“ (=wirken).

Aussenraum

Im „Aussenraum“ können räumliche Qualitäten unterschieden werden wie Zonierung (z.B. durch Bäume), Tiefe, Licht und Umschliessungsunterschiede bei Plätzen, dann Galerien, Tunneln, Brücken, Engführungen, Aufweitungen, etc. Dies sind alles eben nicht Qualitäten eines Mediums, sondern der Beschrieb von Veränderungen (Grad der Umschlossenheit, Grösse, Licht, Stimmung, etc.).

 Es können auch qualitative Unterschiede festgestellt werden (zB. Innenhof als „Strasse“ – oder als Abstandsraum, oder abgeschlossener Innenhof).

Anders und kaum noch räumlich zu nennen sind Atmosphären – wie auch in Gärten – Stimmungen: sanft, melancholisch (dunkle Einschnitte, Geräusche-Wasser), romantisch (seltsam, wild, roh, Abstürze), bildhaft, meditativ (japanische Steingärten; Brücken, Querung; Pyramide, Grab)…

Taut, statt den Block zu schliessen und schlechte Besonnung in Kauf zu nehmen, bildet (gestufte N-S)Zeilen mit weiten Blicken, schrägen Räumen und Druck sowie Entlastung durch das Vor und Zurück der Massen (und Räume).

Taut zeigt am Gebäude der Bismarckstrasse 10 in Berlin, wie durch Dichteunterschiede in der Fensterverteilung und minime Versätze ein Gebäude in der Stadt/Strasse verortet aber auch bestimmend werden kann (Textur). An den Siedlungsbauten der 20er Jahre exemplifiziert er volumetrische „Vokabeln“ wie Schichtungen, Perforation, Eintiefungen, Ausstülpung (Balkone eingedrückt – blau und vorgesetzt – rot), aber auch Definitions- und Lesehilfen für die Raumfiguren. Durch Farben Länge brechen.

Scharnier, Verklammern, Zusammenhalten, Eck-Akzentuierung bei Taut mit Balkonen.

Städte – Mondrian

Städte als Triumpf über das Zufällige der Natur (Mondrian), bzw. das Zufällige der ländlichen Natur ist in den Städten bereits geordnet (das überwiegend Ländliche verschwindet immer mehr) – dies gehört zur kulturellen Tradition der Niederlande. Kunst steht über der Natur, weil sie Ideen1 ausdrückt, von denen die Objekte der Natur nur unvollkommenen Abbildungen sind. Der Künstler …erhebt sich über die launische Wirklichkeit zur Vernunft…(= Darstellung der Gesetzmässigkeit der Natur und nicht ihre Zufälligkeit)2 –> Platonismus? Und: wenn die Kunst direkt Ausdruck des Universellen sein soll, kann sie nicht anders als universell, d.h. abstrakt3 sein.

Die Kunst als Vorboten (=Vor-Bilder, als Vorspiel des neuen Lebens, als Vorhut (Avantgarde) des Lebens) einer künftigen Harmonie (die Veranschaulichung des Gleichgewichts durch die bildende Kunst ist für die Menschheit von grosser Bedeutung. Sie enthüllt, dass das menschliche Leben, obwohl im Zeitlichen zur Unausgeglichenheit verurteilt, auf Gleichgewicht beruht) – eine klarere Wirklichkeit, die nicht von der Tragik der Zufälligkeit2 getrübt ist: die reine plastische Sicht muss eine neue Gesellschaft aufbauen, wie sie in der Kunst eine neue Gestaltung aufgebaut hat – eine Gesellschaft von Gleichgewichtsbeziehungen… mit etwas gutem Willen wird es nicht unmöglich sein, ein irdisches Paradies2 zu schaffen (Schillersche ästhetische Erziehung des Menschen durch die bildende Kunst); seine Widmung: dem Menschen der Zukunft. Gemäss Blochs Prinzip Hoffnung gilt (LC, weisse Ripolin-Architektur = Vertauschen der Plüschmöbel mit solchen aus Chromstahl (= nur Übertünchung), weisse Ästhetik = Kargheit eines Krankenhauszimmers, etc.): solange nicht auch die Bodenfrage mit in Architektur und mit in einen neuen Städtebau einbezogen wird, fehlt wesentliches zum Neuanfang – bzw. zur Zukunft. (Siehe auch: George Santayana sagte, der Geist des Menschen hat ein Vorurteil gegen sich, er traut sich selber nicht; er will Sicherheit, er will Verankerung in (den Gesetzten) der Natur(Wissenschaft)1 – und auch: Philanthropie, aber nicht (beim Volk abgefragte), sondern «eigene», die zu den eigenen Vorstellungen passt und diese stützt).  Wie die New York five mit ihren weissen Villen, wie gelandete Raumschiffe (schon LC: Städte wie Schiffe, dann mit clin d’oeil: die Walking Cities von Archigramm) – das nicht verortete Haus, das überall stehen kann, das also kaum Bezug zum Ort (zu dessen Zufälligkeit) hat, in Parken gut abgeschirmt vom lauten, chaotischen (zufälligen) Leben mit seinen ungelösten Problemen und Konflikten, den Ungerechtigkeiten, den Machtstrukturen und Unfreiheiten… Bloch meint also, dass Alles in der Utopie aufgehen muss, den Architekten und Künstlern reicht ihr Gebiet, mit der Hoffnung (sic), das dies die Gesellschaft (den Rest) dann schon mitreissen wird!

1 es wird geglaubt, dass die (platonischen) Ideen und (Natur)Gesetze im Absoluten (nicht Gedanken der Menschen) wesen

2Wir hier sagen Baum = umgekehrtes Blatt, und ziehen Ideen, Gesetze und die Technik da heraus und wenden sie zum Herrschen an. Die Indianer heben hervor, dass alle Blätter und Bäume verschieden sind – nicht 2 sind gleich! …Gemäss Indianer soll man nicht das Gras abschneiden (wie wenn ich der Mutter die Haare abrasieren würde); man soll nicht die Erde mit Furchen verletzen und sähen (wie wenn ich die Mutter verletzten würde – sonst nimmt sie mich beim Tod nicht wieder an und auf – der Geist. Vergleiche Albrecht von Haller, der meinte, man dürfe den lebenden Menschen nicht öffnen – in ihn schneiden). Die Indianer sollen von dem nehmen, was auf der Erde ist (z.B. Tiere – und im Kampf, Kräftemessen – und alles brauchen, nichts wegwerfen) – nicht aber die Erde verletzen. In der Bibel/Genesis 1/29 soll man nur vom Grünen essen – sich aber die Erde untertan machen!

3für die calvinistischen Niederländer (Bilderverbot) ist solche Kunst sowieso besser – der stijl sagt, dass van der Weyden (Kreuzabnahme) vor allem deshalb schön sei, weil die Figuren in schönen Proportionen (Abständen) zueinander stehen