Berlin

Taut zeigt am Gebäude der Bismarckstrasse 10 in Berlin, wie durch Dichteunterschiede in der Fensterverteilung und minime Versätze ein Gebäude in der Stadt/Strasse verortet aber auch bestimmend werden kann (Textur). An den Siedlungsbauten der 20er Jahre exemplifiziert er volumetrische „Vokabeln“ wie Schichtungen, Perforation, Eintiefungen, Ausstülpung (Balkone eingedrückt –blau und vorgesetzt – rot), aber auch Definitions- und Lesehilfen für die Raumfiguren. Durch Farben Länge brechen.

Wie wirken Gebäude und Plätze

Gebäude und Aussenräume haben physische Existenz, sie zeigen zB., wie sie im Kontext wirken (Verhalten zu Sonne, zu Öffentlichkeit und zu Umwelteinflüssen), wie sie funktionieren und wie sie sich gebrauchen lassen (Handlungsanleitungen, Zugänge) oder sie wollen Zeichen sein (gestikulieren). Vielfach erklären sie, wie sie gedacht sind (z.B. Eckturm, höherer Bauteil zu einer Haupt- oder Seitenstrasse) oder wie sie gemacht sind: Kommentar zum inneren Aufbau (Türme, Haupträume, Treppenhäuser) oder zur Unterteilung in Geschosse: Erdgeschoss, Hauptgeschoss, Nebengeschoss, Dach, Attika, oder Textur: Schichtungen, Lesbarkeiten.

Die Bauten und Plätze können zudem soziale Bedeutung zeigen, indem sie zeigen, was sie in der Gesellschaft für einen Stellenwert haben (zB. Haus eines Mächtigen, öffentliches Gebäude, Platz als Salon der Stadt) durch den Ort / Bezug in der Gesellschaftsordnung (wo steht es, wie ist es verbunden mit anderen Häusern / öffentlichen Räumen).

Die Aussenraumqualität der Siedlungen der 20er Jahre (neues Frankfurt, Britz, etc.) kann zB. mit mapping gefasst werden. Es ging darum, Gemeinschaft aus zu drücken und zu bilden (geometrische Grundformen der Plätze und Strassen, einprägsame Formen der Bauten (Hufeisen) und einheitliche Fronten mit viel Wand und knappen Fenstern, eine gewisse Anonymität, etc.  Hier „fehlt“ die Dichte (es soll Licht und Luft haben), es gibt praktisch „nur“ Wohnnutzung und die Plätze beinhalten Vorgärten oder sind rasenbelegt. Durch den Einbezug landschaftlicher Gegebenheiten (Genius Loci, zB. Siedlung Römerstadt) wirken die Anlagen nicht seriell, haben Atmosphäre; man spürt, dass es nicht nur um Bauten geht, bzw. dass diese so gesetzt und gestaltet sind, dass („räumliche“) Qualitäten entstehen. Hier wird deutlich, dass Bauten diese Qualitäten erzeugen.

Raumvorstellung im 19. Jahrhundert: Blockrandbebauung als Urbanisierung, oft durch Investoren. Der Bebauung liegt vielfach keine Aussenraumvorstellung zu Grunde, bei den Plätzen wird ein Block ausgelassen (Platz machen/geben). Die Blöcke sind dominant mit eigener (innerer) Ordnung und haben repräsentative Fassaden; oft sind die Eingänge über Ecke angeordnet und damit wird der Bezug zur Strasse noch zusätzlich negiert; die Strassen sind (meist) gerade, durchgehend (für den Verkehr und das Militär). In Berlin sind die Mietskasernen mit ihren unzähligen kleinen Höfen einfach zu dicht (Spekulation); sie sind einzig Masse (voll) und lassen nur das vorgegebene nötige Strassenraum-Profil offen. Am Übergang zum 20. Jahrhundert wird der Verkehr abgebildet (Abrundungen der Gebäude); später werden die Blöcke zugunsten von Zeilen aufgelöst. Der heutige Remake (Lampugniani) operiert mit Investoren gemässen (daher Mega-)Blöcken, die sich zudem oft als gestapelt und gereiht ausweisen (mit dem entsprechenden Fassadenausdruck) und von verschiedenen Architektenje individuell  materialisiert werden.

Das Forum Friderizianum (Universität, Oper, etc.) in Berlin (eine römisch-kaiserliche Raumform; mit der Gegenüberstellung zum Endpunkt Schlossplatz (die Friedrichstrasse führte damals nicht in der Achse weiter) mit eben dem Schloss, dem Dom und den Museen (vergleiche: schon in Paris lag auf der Insel Notre-Dame dem Palais Royal gegenüber und südlich davon das Quartier Latin mit der Universität): die Bauten werden nicht als Voll/Masse gegeben, sondern als Einzelbauten, und zwar klassizistisch und in Neorenaissance, als den Bauten für Bildung und Wissenschaften angemessen (Bezug zum geistigen Kosmos griechisch-antiker Gelehrsamkeit – vs. Neobarock bzw. neogotisch für staatliche Repräsentanz). Hier kommt also die Bedeutungs- und die Stilfrage hinzu. Auch die Frage des Aussehens eines Gebäudes (Vedute), damit man die Funktion erkenne bzw. das Repräsentationsbedürfnis, also die Frage der Selbstdarstellung oder des Gesamtbildes von Bauten (wie z.B. bei der Berliner Forums-Lösung).

Moderne Stadtentwürfe werden auch als „Stadtbilder“ verstanden wie zB. der Potsdamer-/ Leipzigerplatz mit den Quartieren von Renzo Piano in Berlin: diese sind unabhängig von den „gesellschaftlichen Ordnungen“ entstanden, nur Gehäuse, ohne auch zB. eine reziproke Beziehung zu den Aussenräumen (dadurch entsteht keine Bezogenheit aus Aussenräumen und Bauten).  Die Einzelgebäude sind dann noch durch viele Meisterarchitekten entworfen worden; eine Tatsache, welche das gesuchte „Stadtbild“ noch zusätzlich heterogenisiert…).

Schlossforum in Berlin

Ein Stich eines Schlüterprojektes von 1702 schlägt eine Erweiterung des Berliner Stadtschlosses vor, mit:

-Städtebauliche Anlage mit mittigem Königsdom (Hofkirche, erhöht die Macht des Königs, da protestantisch);

– Ausdruck der neuen Königswürde ab 1701

-Die einzige Verbindung des Schlosses (über die Spree) mit der Bürgerstadt (der städtischen Hauptachse mitdem Rathaus) und gleichzeitigem Einzugsweg der Gekrönten von Osten in die Stadt sollte eine neue Orientierung gegeben werden – welche die Stadt in eine neue städtebauliche Beziehung zum Schloss zwingt (das Interesse der Mächtigen wird vom Architekten vorgeschlagen).

Raschdorff legt 1885 einen neuen Entwurf vor, da nun der König von Preussen auch noch Kaiser Deutschlands wurde; der Dom muss nun Predigtkirche, nationales Monument (Festkirche der geeintendeutschen Nation) und Grablege der Hohenzollern sein – in Renaissance. Raschdorff schlägt gegen die Bürgerstadt zwei lange, über eine Brücke verbundene Räume vor: Saalbau undDomneubau. Der Domneubau hat etwas von der Maxentiusbasilika (Hauptraum längs, Querräume senkrechtdazu; diese sind hier sehr intelligent mit «Vorschiffen» lesbar gemacht – eine räumliche «Erfindung» vom Feinsten!). Die tief in den Lustgarten vorstossenden Kirchen-Langhäuser zonieren diesen (inklusivevorgeschlagener Turm). Die 2-geschossigen Fassadenteile zwischen den Langhäusern und an der Brückezum Turm und Schloss bilden einen «Hintergrund» und «verbinden» zu letzteren. Der Lustgarten (auch mitden Museen) wird zum «Kaiserforum» – und dies schliesst die Monumentalachse unter den Linden (ebensoklar wie von Klenzen’s Münchner Schloss Achse) als Pendant zum Pariser Platz ab. Dieses Kaiserforum hat zudem eine ganz andere Ausstrahlung und Ausgestaltung als das Forum Friederizianum (mit Opernhaus undUniversität) und schärft dadurch beider Prägnanz.

Aus Kostengründen (Protestanten und Preussen sind sparsam) muss das 3-Kirchenprojekt verkleinert werden: es gibt noch einen Hauptraum und vorgelagerte Kuppeltürme. Das Projekt wird noch mit 20 Millionen Reichsmark veranschlagt; es stehen aber nur 10 Millionen zur Verfügung. Aus einer hochgradig architektonischen und räumlichen Anlage wird ein Historizismus-Bau (Fassade einwenig wie Sant’ Agnese in Rom), hier aber nun ein Solitär, der auftrumpfen muss und mit Details und Materialien protzt. Er bewirkt auf dem Lustgarten nichts…